Andrea
Gyger
Marjana
Jurjovec
Bei
der Literaturrecherche zum Thema der numerischen Untervertretung der Frau
im Architektenberuf stellten wir fest, dass kaum aktuelles Zahlenmaterial
vorhanden ist. Die 1994 entstandene Wahlfacharbeit BauHausFrau zeigte sich
uns bald als wichtige Grundlage für unser weiteres Vorgehen. In dieser
Diplomwahlfacharbeit wurde dazumal die Beschäftigungssituation von
ETH Architektinnen im Zusammenhang mit dem Privatleben untersucht. Daraus
resultierte die Schlussfolgerung, dass ein Hauptgrund für den Rückzug
der Frauen aus dem Berufsleben die Familienplanung ist.
"Die
meisten Architektinnen haben nach dem Studium keine klaren Zukunftsvorstellungen.
Der Berufseinstieg wird nicht bewusst geplant. Erst nach ein paar Jahren
kristallisieren sich konkrete Zukunftsvorstellungen heraus. Eine Karriere
im eigentlichen Sinn wird also nicht geplant. Die Frauen planen aus dem
Grunde nicht, weil viele nicht bereit sind, nur für die Architektur
zu leben und weil eine Karriere mit Kindern schlecht möglich ist."
(BHF S.62-63)
Diese
Vermutung haben wir genauer untersucht.
Wo uns doch gerade für Frauen, welche
sich für die Architektinnenlaufbahn entscheiden und trotzdem nicht
auf Familie verzichten wollen, eine Planung ihres Berufs- und Privatlebens
besonders wichtig erscheint. Mit der gleichen Ausbildung sollten
grundsätzlich auch die gleichen Bedingungen in der Berufsausübung
bestehen. Uns interessiert, welches die Unterschiede
in der Karriere- und Laufbahnplanung zwischen Männern und Frauen sein
könnten, ob es überhaupt spezifische Unterschiede gibt.
Im
Rahmen einer Erhebung haben wir Zahlenmaterial zusammengetragen, welches
Aufschluss darüber geben soll, wie Frauen und Männer ihren Berufseinstieg
planen, welche Tätigkeiten ihren Berufsalltag prägen, wie sie
sich einrichten, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Um dieses
vieldiskutierte Thema nicht nur der Beurteilung durch subjektive Wahrnehmungen
zu überlassen, war es uns wichtig, konkrete Tatsachen mit Zahlen belegen
zu können.
In
Form eines Fragebogens befragten wir die DiplomandInnen der Architekturabteilung
der ETH Zürich, welche zwischen 1987 und 1994 ihr Studium abgeschlossen
hatten. Diese 1030 AbsolventInnen sind inzwischen schon einige Jahre berufstätig
und mussten sich bereits mit der Berufslaufbahn- und Familienplanung auseinandersetzen.
Sie wurden im Berufsalltag bereits mit Problemen und Schwierigkeiten konfrontiert.
Viele konnten sich schon entscheiden, ob sie angestellt oder selbständig
arbeiten wollen. Vielleicht hat es Gründe gegeben, die Branche zu
wechseln oder die Erwerbstätigkeit teilweise oder ganz aufzugeben.
Die
Erarbeitung des Fragebogens stellte eine grosse Herausforderung dar. Für
das Erfassen und grafische Darstellen einer solch umfangreichen Datenmenge
sind eindeutige, objektive Aussagen Voraussetzung. Um konkrete Antworten
zu erhalten, mussten wir die Fragen so präzis formulieren, dass ein
Ausfüllen mit einfachem Ankreuzen möglich wurde. Die Soziologin
Christina Schuhmacher war uns dabei vor allem in methodischer Hinsicht
sehr behilflich. Es stellte sich zum Beispiel die Frage, wie viele Wahlmöglichkeiten
wir bei der Bewertung von Kriterien einsetzen wollten. Auch unter Soziologen
ist es umstritten, ob eine gerade oder ungerade Anzahl Möglichkeiten
vorteilhafter ist. Wir entschieden uns für vier unterschiedliche Abstufungen
(z.B. sehr wichtig / wichtig / unwichtig / völlig unwichtig). Unter
anderem aus dem Grund, dass wir beim Ausfülllen von Fragebögen
mit beispielsweise drei Wahlmöglichkeiten (z.B. wichtig / neutral
/ unwichtig) aus eigener Erfahrung wussten, dass man mit Vorliebe die mittlere,
neutrale Sparte ankreuzt. Aus Kommentaren zu schliessen, waren einige der
Befragten irritiert, da der Unterschied zwischen "sehr wichtig" und "wichtig"
als weniger stark empfunden wird als zwischen "wichtig" und "unwichtig".
Vielleicht wäre es besser gewesen, die Wichtigkeit der Kriterien mit
Zahlen zu bewerten. Befragte Personen, welche nicht mehr in der Architekturbranche
tätig sind, bemängelten, dass der Fragebogen zu sehr auf die
Tätigkeit in einem Architekturbüro abgestimmt sei. Alle individuellen
Situationen können in einem Fragebogen natürlich nicht erfasst
werden, wir haben aber versucht, möglichst vielfältige Antwortmöglichkeiten
zu gewährleisten. Den Fragebogen haben wir in die drei Themenkreise
"Biographische Angaben", "Studium/Ausbildung" und "gegenwärtige berufliche
Situation" eingeteilt, welche die berufliche und private Situation möglichst
vollständig erfassen sollte. Es war uns bewusst, dass wir aus den
sehr umfangreichen Fragen später bei der Auswertung eine Auswahl treffen
mussten. In der vorliegenden Arbeit haben wir aus dem detaillierten Fragebogen
nur die für unsere Thematik relevanten Fragestellungen ausgewählt.
Die
Adresskartei bezogen wir über die Rektoratskanzlei der ETH Zürich.
Wir wählten die ständigen, bzw. Elternadressen der damaligen
DiplomandInnen, weil wir aus eigener Erfahrung wussten, dass die Studienadresse
während der Ausbildung oft gewechselt wird. Um beim Rücklauf
möglichst kleine Einbussen durch ungültige Adressen in Kauf nehmen
zu müssen, haben wir mit Hilfe des elektronischen Telefonbuchs sämtliche
Adressen aktualisiert. Trotzdem war es uns natürlich nicht möglich,
alle Adressen eindeutig ausfindig zu machen. In solchen Fällen wurde
der Fragebogen direkt an die Elternadresse geschickt.
Im
November 2000 haben wir die 1030 Fragebogen versandt. Den Einsendeschluss
setzten wir auf Ende Dezember fest, da der zeitliche Rahmen für unsere
Wahlfacharbeit beschränkt war. Der relativ grosse Rücklauf der
Fragebögen und die vielen interessanten Kommentare bestätigten
die Aktualität unserer Fragestellung. Leider führt in der Architekturbranche
kein Berufsverband ähnliche Umfragen durch, obwohl sie mit den zahlreichen
Mitgliedern über eine ideale Ausgangslage für umfassendere Untersuchungen
der Arbeitssituation von Architektinnen und Architekten verfügen würden.
Unsere Auswertungen sind leider auf Grund der begrenzten Anzahl der Antwortenden
kaum repräsentativ.
Für
die Beobachtung der Entwicklung der Rollenverteilung im Architektenberuf
wäre es wichtig, kontinuierlich Fakten zu sammeln. Unsere Arbeit gibt
hoffentlich Anstoss, das Thema der numerischen Untervertretung der Frau
in der Architekturbranche systematisch weiter zu verfolgen.
Die
Datenbank unserer Erhebung birgt Potenzial für weitere Auswertungen,
deshalb werden wir sie für allfällige weitere Forschungszwecke
beim Schweizerischen Informations- und Daten-Archivdienst für die
Sozialwissenschaften (SIDOS) in Neuchâtel deponieren. Eine Zusammenfassung
der Ergebnisse haben wir im Internet bis auf Weiteres der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Die vollständige Arbeit ist in der Baubibliothek
der ETH Zürich einsehbar oder kann unter der obenerwähnten Kontaktadresse
zum Selbstkostenpreis bezogen werden.
Innert
kürzester Zeit schickten viele der angefragten ETH AbsolventInnen
den Fagebogen ausgefüllt zurück. Offenbar stiess unsere Umfrage
bei Männern und Frauen auf reges Interesse. Viele persönliche
Kommentare wiesen uns auf Probleme im Berufsalltag hin, oder gaben uns
wertvolle Hinweise in Bezug auf die Verständlichkeit und Ausführung
des Fragebogens. Viele wünschten uns aber auch einfach viel Glück.
Insgesamt waren die Bemerkungen durchwegs positiv, was uns natürlich
sehr motivierte.
Mit
einem Rücklauf von 40% liegen wir mit unserer Umfrage über dem
durchschnittlich zu erwartenden Wert bei ähnlichen Erhebungen. Ein
Erfahrungswert liegt bei etwa 10-20% Rücklauf. Erwartungsgemäss
hat uns mit 47.5% der Frauen und 37.0% der Männer ein grösserer
Frauen- als Männeranteil geantwortet. Unsere Fragestellung beschäftigt
wahrscheinlich Frauen stärker.
Mit
unserer Erhebung können wir zwar eine tendenzielle Aussage über
die aktuelle Erwerbssituation von AbsolventInnen der Architekturabteilung
der ETH Zürich machen, wir sind uns jedoch im Klaren, dass unsere
Umfrage zuwenig umfangreich ist, um repräsentativ zu sein.
DIAGRAMME
Um
den jeweiligen Männer- und Frauenanteil in den Diagrammen direkt miteinander
vergleichen zu können, stellen wir nebst den absoluten Zahlen auch
die Prozentanteile dar.
In
der Darstellung der Prozentanteile ist zu berücksichtigen, dass je
nach absoluter Anzahl die einzelne Stimme unterschiedlich gewichtet wird.
Rücklauf
total:
100%
Frauen = 141 Frauen, welche geantwortet haben - eine Frau =
0.7%
100%
Männer = 271 Männer, welche geantwortet haben - ein
Mann = 0.4%
Erwerbstätige
in der Architekturbranche:
100%
Frauen = 89 Frauen, welche geantwortet haben - eine Frau =
1.1%
100%
Männer = 205 Männer, welche geantwortet haben - ein
Mann = 0.5%
Die
vorliegende Auswertung unserer Erhebung zum Thema der Karriereplanung und
Laufbahnen von ETH ArchitektInnen soll aufzeigen, welche Faktoren die Berufssituation
von Frauen und Männern beeinflussen. Von den 1030 befragten AbsolventInnen
der Jahrgänge 1987 bis 1994 antworteten insgesamt 40.0% (Rücklauf).
Mit 63.1% der Frauen und 75.6% der Männer ist der Grossteil der Antwortenden
in der Architekturbranche erwerbstätig, während 23.4% der Frauen
und 21.8% der Männer in anderen Branchen ein Tätigkeitsfeld gefunden
haben. Bei der kleinsten Gruppe, den Nicht-Erwerbstätigen, beträgt
der Frauenanteil 13.5% und der Männeranteil 2.6% (D2).
Der
am zahlreichsten vertretenen Gruppe der Erwerbstätigen in der Architekturbranche
gilt unser Hauptinteresse. Rund 80% dieser Personen leben in Partnerschaft,
davon etwas mehr als die Hälfte mit Kindern (D5).
Bei Frauen haben Kinder offensichtlich den stärkeren Einfluss auf
die Berufstätigkeit als bei Männern. Deutlich mehr Mütter
als Väter haben ein reduziertes Arbeitspensum (D15).
Vorwiegend die Frauen sind für die tägliche Kinderbetreuung zuständig,
wobei nicht ausser Acht zu lassen ist, dass sich etwa ein Fünftel
der befragten Eltern die tägliche Kinderbetreuung teilt (D11).
Für Frauen mit Kinder ist der Hauptgrund die Erwerbstätigkeit
zu unterbrechen die Familie, während bei den Männern die Familiengründung
die berufliche Laufbahn selten beeinträchtigt. Für kinderlose
Personen gibt es für den Unterbruch der Erwerbstätigkeit kaum
geschlechterspezifisch unterschiedliche Gründe (D19).
Von den Eltern geben nur Männer an, eine nicht-erwerbstätige
Partnerin zu haben (D7).
Unsere
Auswertung bezieht sich auf eine zu geringe Anzahl AbsolventInnen um repräsentativ
zu sein, trotzdem lassen sich einige tendenzielle Aussagen zur Berufssituation
der Erwerbstätigen in der Architekturbranche machen. Als Fazit unserer
Arbeit lassen sich folgende Schlussfolgerungen aufstellen: Die Berufssituation
ist für Frauen und Männer ohne Kinder grösstenteils übereinstimmend.
Das traditionelle Rollenverhalten prägt jedoch heute noch die Gesellschaft
und lässt sich auch in der Architekturbranche erkennen. Kinder üben
den grössten Einfluss auf die Berufssituation von Frauen aus. Generell
verfolgen Männer ihre Berufslaufbahn unabhängig von Familie und
Partnerschaft. Für Frauen sind die Einflüsse aus dem Umfeld wichtiger
und sie müssen sich stärker um die Anerkennung im Berufsleben
bemühen. Mehr Frauen als Männer haben deshalb Partner mit gleichwertiger
Ausbildung und schaffen sich somit auch im Privatleben eine Basis von mehr
Verständnis und Unterstützung für die eigene berufliche
Situation.